Bei Standortmarketing ist Klischee schlechter Ratgeber
Wirtschaftsempfang Rhein-Lahn-Kreis präsentiert selbstbewusst neuen Werbeslogan: „Wir bringen′s. Zusammen.“
Was macht eigentlich den Rhein-Lahn-Kreis aus? Was macht ihn besonders? Der Wirtschaftsempfang am Donnerstagabend in den Räumen der Stiftung Scheuern in Nassau war eine gute Gelegenheit, über diese Fragen nachzudenken, denn vor allem Politik und Wirtschaft, deren Vertreter beim Empfang stets gern ihre Farben repräsentieren, verbindet unter anderem das gemeinsame Interesse, den Standort Rhein-Lahn möglichst optimal zu vermarkten. Und so war das Thema Standortmarketing der prägende inhaltliche Block, um den sich im offiziellen Programmteil alles drehte.
Ein taufrischer Slogan zur Vermarktung wurde am Donnerstagabend schon mal offiziell aus der Taufe gehoben: „Wir bringen’s. Zusammen.“ soll wohl gleich mehrdeutig verstanden werden. Dass der Kreis, hier in Kooperation seiner Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit der Industrie- und Handelskammer, der Kreishandwerkerschaft, der Wirtschaftsjunioren und dieser Zeitung, es versteht, Menschen zusammenzubringen, offenbart der Wirtschaftsempfang beispielhaft Jahr für Jahr aufs Neue. Dass der Kreis Leistung bringt und dabei vor allem auf gemeinschaftliche Anstrengungen seiner Bewohner setzen kann, gehört quasi schon zum Standardprogramm der Ansprachen, mit denen sich Landrat Frank Puchtler zu den verschiedensten Anlässen an seine Zuhörer wendet.
Doch reden ist die eine Sache, eine erfolgreiche Werbestrategie durchaus etwas anderes. Das machte Kommunikationsexperte Mathias Wollweber deutlich, der mit einem Impulsvortrag ins Thema Standortmarketing einführte und damit eine vertiefende Podiumsrunde einleitete. Der Knackpunkt aus seiner Sicht ist, dass Standortwerbung nicht nur nach außen zielt, sondern auch die Menschen innerhalb des Kreises mitnehmen muss. Das Problem aus seiner Sicht: Klischees, gern verwendet in der Werbung, können durchaus nach außen wirken, nach innen klappe das aber nicht immer zwangsläufig. Wollweber sprach von einem schmalen Grat und warnte: „Das Klischee ist ein schlechter Ratgeber.“ Es gehe vielmehr darum, etwas zu schaffen, mit dem sich die Leute innerhalb eines Standorts identifizieren können, durch das sie sich mitgenommen fühlen und was erlebbar gemacht werden kann.“
Landrat Frank Puchtler ist viel unterwegs in seinem Kreis, stets nah bei den Leuten. Er schätzt sie als den bedeutendsten Standortfaktor. „Es sind die Menschen, die unseren Kreis bewegen“, sagte der SPD-Politiker und führte als Beispiel die Diezer Hebammen an, die nach der Schließung der letzten Geburtsstation im Kreis die Initiative ergriffen und selbst ein Geburtshaus gegründet haben. Mittlerweile ist dort schon das 100. Baby zur Welt gekommen. „Das sind 100 echte Diezer, das ist echte Zukunft“, lobte Puchtler die mutigen Hebammen.
Wie wichtig es ist, dass Standortmarketing auch nach innen wirkt, machte IHK-Regionalgeschäftsführer Richard Hover am Beispiel des ICE-Bahnhofs in Montabaur deutlich, der auch im Westerwald selbst zunächst sehr umstritten war. Die gemeinsame Regionalmarketinginitiative der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, der IHK und der Kreishandwerkerschaft habe es geschafft, die Stimmung zu verändern und damit zum Erfolg beizutragen.
Für Kreishandwerksmeister Johannes Lauer ist das Handwerk allein schon ein Standortvorteil. Die Betriebe seien als Ausbilder, Arbeitgeber und Versorger für die Menschen ein Grund, sich im Rhein-Lahn-Kreis anzusiedeln. Sorge bereitet ihm, dass Handwerksberufen vor allem in den Schulen nicht mehr der Stellenwert eingeräumt wird, den sie früher besaßen. „Daran arbeiten wir auch in Verbindung mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft“, sagte Lauer, warb in diesem Punkt aber auch um Unterstützung der Politik.
„Der Rhein-Lahn-Kreis ist seit 167 Jahren unsere Heimat, hier sind wir verwurzelt“, unterstrich Pfarrer Gerd Biesgen den hohen Identifikationsgrad der Stiftung Scheuern mit der Region. Dass dies so bleiben wird, resultiert aus seiner Sicht aus dem Vorteil, „dass wir in manchen Dingen von der Konjunktur unabhängig sind. Menschen mit Behinderungen hat es immer gegeben und wird es immer geben. Ein Dienstleister wird gebraucht.“
Dass die Stiftung auch ein guter Gastgeber sein kann, bewies sie eindrucksvoll. Ein vielfältiges Büfett ließ keine Wünsche offen und bildete mit einem erfrischenden oder belebenden Getränk die Grundlage für einen unterhaltsamen und geselligen Abend mit vielen guten Gesprächen in entspannter Atmosphäre. Der Wirtschaftsempfang bleibt ein Erfolgsmodell und ein gutes Beispiel für den neuen Rhein-Lahn-Slogan: „Wir bringen’s. Zusammen.“