Herr Lauer, Anfang des Jahres haben sie das Amt des Kreishandwerksmeisters übernommen. Welche Erfahrungen überwiegen, die guten oder die schlechten?
Da überwiegen durchweg die positiven Erfahrungen! In vielen Begegnungen und Gesprächen habe ich zu spüren bekommen, dass das Handwerk im Rhein-Lahn-Kreis ein hohes Ansehen sowohl in der Bevölkerung als auch der regionalen Politik genießt. Das Vertrauen in die Kompetenz heimischer Handwerker scheint ungebrochen hoch.
Was waren Ihre ersten Aufgaben?
Zunächst galt es, zwei strukturelle Veränderungen innerhalb der Kreishandwerkerschaft umzusetzen. So haben wir einmal per Satzungsänderung den Sitz der KHS nach Koblenz verlagert, nachdem bereits im Vorjahr der Geschäftssitz in Diez aufgegeben worden war. Zum anderen passen wir die Zahl der Vorstandsmitglieder der Zahl der bei uns vertretenen Innungen an und werden den Vorstand künftig auf neun Mitglieder erweitern, die dann bei der nächsten Delegiertenwahl besetzt werden.
Welches Projekt ist für Sie inhaltlich das bedeutendste, mit dem sie sich in den ersten neun Monaten Ihrer Amtszeit beschäftigt haben?
Das wird eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Kreishandwerkerschaft und den Realschulen plus sowie den Integrativen Gesamtschulen im Kreis sein. Mit ihr wollen wir dem Miteinander zwischen weiterführenden Schulen und Betrieben einen Rahmen geben, der feste Eckpunkte festlegt, was etwa Ansprechpartner oder den Austausch bei Berufstagen und Praktika anbelangt. In dem Vertrag soll definiert sein, welche Möglichkeiten die Schulen dem Handwerk eröffnen und wie umgekehrt die Handwerkerschaft die Schulen unterstützen kann. Dadurch erhoffen wir uns, nicht nur formelle Hürden bei der Zusammenarbeit aus dem Weg zu räumen, sondern natürlich auch, junge Menschen für Handwerksberufe zu begeistern und als Nachwuchskräfte für unsere Betriebe zu gewinnen.
Wie sieht es denn überhaupt mit dem Nachwuchs im heimischen Handwerk aus? Ist es noch so schwer geeignete junge Leute zu finden?
Allgemeiner Tenor unserer Ausbildungsbetriebe ist es, dass sich die Qualität der Berufsschulabgänger in der jüngsten Vergangenheit verbessert hat. Auch was die Arbeitseinstellung der jungen Leute anbelangt, bekomme ich viele positive Rückmeldungen. Trotzdem gibt es hier und da immer noch Verbesserungsbedarf bei einigen „Grundsportarten“. Es darf einfach nicht sein, dass viel wertvolle Zeit, in der fachliches und praktisches Berufswissen vermittelt werden könnten, für Nachhilfe in Grundrechenarten oder im Schreiben verbraucht wird.
Darüber hinaus bleiben uns Handwerkern natürlich auch nicht die Folgen der demografischen Entwicklung erspart, die künftig in einzelnen Branchen zu einem Fachkräftemangel führen könnte. Während Berufe wie der Mechatroniker oder in den Bereichen Schreiner, Elektro, Gas, Wasser und Installation nach wie vor absolut begehrt sind, lässt die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen im Bauhauptgewerbe, bei Dachdeckern und den Ernährungsberufen immer mehr nach. Die eben erwähnte Kooperationsvereinbarung ist nur ein Schritt, gegen diese Entwicklung anzugehen. Es wird eine Daueraufgabe der Kreishandwerkerschaft bleiben, hier immer wieder nach neuen Wegen zu suchen, wie die Betriebe bei der Suche nach Fachkräften unterstützt werden können.
Was wünschen Sie sich von der Politik, um das Handwerk und seine Zukunft zu stärken und zu sichern?
Welche Politik meinen Sie? Da gibt es nämlich deutliche Unterschiede zwischen der regionalen und der „großen“. Was die Unterstützung der Kommunalpolitik anbelangt, da können wir wirklich sehr zufrieden sein, etwa durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft und ganz persönlich auch das Engagement des Landrats, dem das Handwerk nicht nur „am Herzen liegt“, wie es in vielen Sonntagsreden oft zu hören ist, sondern der auch ein offenes Ohr für die Anliegen des Handwerks hat. Ebenso bemühen sich Verbandsgemeinden und Städte deutlich öfter als noch vor einigen Jahren, nach ihren Möglichkeiten bei Angeboten die heimischen Betriebe zu berücksichtigen. Das war nicht immer so. Positive Auswirkungen hat auch die Möglichkeit gebracht, die Lohnkosten für Handwerker steuerlich absetzen zu können. Das macht sich etwa bei privaten Sanierungen bemerkbar und hat der Schwarzarbeit in unserer Region schon deutlich abgeholfen. Ein Sorgenkind bleibt die Bildungspolitik. Am Weg vom drei- zum zweigliedrigen Schulsystem wird das Handwerk sicher noch länger zu knabbern haben.
Wie optimistisch oder pessimistisch blickt das Handwerk aufs laufende und in das nächste Jahr?
Nach einem Superjahr 2011 ist die Auslastung der Betriebe noch immer stabil und gut. Es gibt aber auch Bereiche, die uns nicht gefallen. So könnte die Lage im Bauhauptgewerbe deutlich besser sein, und unter einem signifikanten Mitgliederschwund leiden wir im Ernährungshandwerk bei Metzgern und Bäckern. Da setzen uns die Filialisten enorm zu. Auf diese Entwicklung blicken wir mit großer Sorge und zwar nicht nur wegen der Umsatzeinbußen der Betriebe, sondern auch im Sinne der Verbraucher. Es kann ja nicht gut sein, nur noch verpackte Wurst zu bekommen, ganz gleich, wo sie herkommt. Für mich ist das auch eine kulturelle Frage, ob sich die Verbraucher mit Nahrungsmitteln aus der Region ernähren oder ob nur noch der Preis dabei eine Rolle spielt.
Ein Zukunftsthema ganz anderer Art: Es ist in letzter Zeit viel über den Bahnlärm am Mittelrhein zu lesen; um die Pläne für eine Rheinbrücke ist es still geworden. Ist der Zug für Sie vollkommen abgefahren oder lässt sich da wieder Dampf unter den Kessel bringen?
Auch wenn das ohne Unterstützung der Regierungskoalition derzeit ausgeschlossen scheint, bleibt es bei der festen Überzeugung der gesamten heimischen Wirtschaft, dass eine Brücke dringend notwendig ist, um ein Ausbluten der Mittelrhein-Region zu verhindern. Dabei geht es weniger um die Belebung des Fremdenverkehrs – Touristen mögen gern mit der Fähre hin und her fahren. Es geht vielmehr um die damit verbesserte Mobilität der heimischen Unternehmen und Betriebe, die mit einer solchen Ost-West-Verbindung einhergeht sowohl was die Erreichbarkeit von Kunden anbelangt als auch für die Arbeitnehmer. Andernfalls wird sich die wirtschaftliche und bevölkerungsmäßige Schieflage von Osten hinunter zum Rhein noch verstärken. Da wäre mit einer „BB-Verbindung“, also einer Tallösung zwischen den beiden Bundesstraßen schon sehr viel erreicht.